In der Hypothese A1 geht man von einer Alkohol-Abhängigkeit aus. Die Abhängigkeit muss durch qualifiziertes Personal diagnostiziert worden sein.
Bei Alkohol-Abhängigkeit ist grundsätzlich von einer fehlenden bzw. unzuverlässigen Verhaltenskontrolle bei Konsum von Alkohol auszugehen. Eine Fahreignung ist nur dann gegeben, wenn eine stabile Alkoholabstinenz gelebt wird, zu der der Klient im Rahmen einer Entwöhnungstherapie oder einer i.d.R. suchttherapeutisch unterstützten Problembewältigung gelangt ist.
Kriterien für die Zuordnung zur Hypothese A1: Alkohol-Abhängigkeit
Die Einordnung eines Probanden in die Kategorie „Alkoholabhängigkeit“ kann ausschließlich durch eine qualifizierte Diagnose erfolgen. Eine solche Diagnose kann entweder fremd-diagnostisch erfolgt sein, oder sie wird interdisziplinär und qualifiziert im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung gestellt.
Nicht ausreichend für die Einordnung in diese Kategorie sind unbestätigte Berichte über eine Suchtbehandlung, Angaben aus einem Gerichtsurteil oder die Selbsteinschätzung des Betroffenen. In solchen Fällen ist ggf. die Hypothese A2 (fehlende Konsum-Kontrolle) zu prüfen.
Eine fremddiagnostische Einordnung muss formal durch einen hierfür speziell qualifizierten Arzt oder approbierten psychologischen Psychotherapeuten, i.d.R. in einer Klinik oder suchttherapeutischen Einrichtung, durchgeführt worden sein, und sie muss nachvollziehbar den Kriterien nach ICD-10 (bzw. ICD-11) oder DSM-5 folgen. Eine solche Fremddiagnose kann bsp. gegeben sein, wenn eine stationäre oder ambulante Suchttherapie durch einen Kostenträger übernommen worden ist und für die Diagnose Entlassungsberichte oder qualifizierte Bescheinigungen vorliegen. In der Bestätigung der Diagnose muss dabei darlegt sein, welche Befunde zugrunde liegen, um die Ausprägung der Abhängigkeit einordnen zu können. Qualifizierte Berichte oder Bescheinigungen über durchgeführte oder abgebrochene Entgiftungen, Entzugs- oder Entwöhnungsbehandlungen sowie Verordnungen von Medikamenten zur Verminderung des Verlangens nach Alkohol oder von Entzugserscheinungen unterstützen die Einordnung in die Kategorie „Alkoholabhängigkeit“.
Liegt keine fremd-diagnostische Einordnung vor, kann im Rahmen der medizinisch-psychologischen Untersuchung die Diagnose „Alkohol-Abhängigkeit“ geprüft werden. Grundlage hierfür sind ebenfalls u.a. die Merkmale nach ICD-10 oder DSM-5.
Liegt die Symptomatik ohne bereits früher erfolgte fremd-diagnostische Einordnung länger zurück und ist sie aktuell nicht mehr diagnostizierbar, dann ist eine aktuelle Einordnung in die Kategorie „Alkoholabhängigkeit“ häufig nicht mehr gerechtfertigt.
Der Diagnose-Prozess für eine Alkohol-Abhängigkeit ist komplex. Hinweise auf verschiedenste Ausprägungsgrade einer Abhängigkeit sind zu sammeln, individuell zu berücksichtigen und zu gewichten, sowohl hinsichtlich der Ausformung, als auch der Problemtiefe. Die Diagnose-Stellung erfordert deshalb eine entsprechende Ausbildung und Erfahrung sowie entsprechende Untersuchungen und kann nur durch speziell qualifiziertes Personal erfolgen.
Für eine früher gestellte Diagnose kann geprüft werden, ob die Diagnose aktuell noch anhand dieser Kriterien zu verifiziert ist. Nach klinisch-fachlicher Auffassung besteht eine einmal erworbene Abhängigkeitserkrankung zwar auch bei Symptomfreiheit i.d.R. weiter; aus Fahrerlaubnis-rechtlicher Perspektive gilt dagegen die Diagnose der Abhängigkeitserkrankung bei stabiler Alkoholabstinenz i.d.R. nicht mehr.
Folgende Fragen können Hinweise auf eine Alkohol-Abhängigkeit geben:
- Wurde öfter mehr getrunken als geplant?
- Wurden öfter wichtige Aufgaben nicht erledigt?
- Wurde bereits vormittags Alkohol getrunken, „um in Schwung zu kommen“?
- Gab es durch den Alkoholkonsum öfter Blackouts oder Erinnerungslücken aus der letzten Nacht?
- Kam es alkoholbedingt zu Verletzungen anderer Personen oder sich selbst?
- Wurde aus dem Umfeld (Verwandte, Freunde, Ärzte) Sorge geäußert oder Reduzierung der Trinkmengen angeregt?
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